Führende deutsche Unternehmen aus dem Automobilbereich sowie der Telekommunikation und Softwareentwicklung präsentieren heute vor Staatssekretär Peter Hintze die Projektergebnisse eines der wichtigsten Verkehrssicherheitsprojekte Deutschlands: AKTIV.
Erklärtes Ziel der vierjährigen, im September 2006 gestarteten Forschungsinitiative ist es, die aktive Sicherheit im Straßenverkehr künftig zu verbessern, den Fahrer zu entlasten und die Verkehrsabläufe nachhaltig zu harmonisieren. Die Volkswagen AG ist ein bedeutender Partner der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Forschungsinitiative, der sich in vielen Teilprojekten engagiert.
„Volkswagen hat sich das Ziel gesetzt, innovative Fahrerassistenzsysteme für eine sichere und nachhaltige Mobilität zu entwickeln. Die Volkswagen Konzernforschung sieht AKTIV damit als eines ihrer Leuchtturmprojekte mit dem Ziel, die Projektergebnisse möglichst schnell in serienreife Produkte umzusetzen“ kommentierte Prof. Dr. Jürgen Leohold, Leiter der Volkswagen Konzernforschung auf der heutigen Abschlussveranstaltung in Mendig.
Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer („AKTIV-SFR“)
Im Teilprojekt „SFR“ arbeitet Volkswagen an einem System zur Steigerung der Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer. In den vergangenen Jahrzehnten wurde eine Vielzahl von speziellen Konstruktionen in Neufahrzeugen eingeführt, um Beiträge zum Fußgängerschutz zu leisten. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die speziell entwickelten weichen Stoßfängerkonstruktionen als passive Schutzmaßnahme hervorzuheben. Dadurch konnten die Verletzungen deutlich reduziert werden.
Über diese passiven Maßnahmen hinaus hat Volkswagen aktive Systeme erforscht, die ein zusätzliches Sicherheitsniveau bieten sollen. Mittels am Fahrzeug installierter Kameras und Radarsensoren beobachtet das Fahrzeug permanent sein Umfeld und hat dabei einen speziellen Fokus auf Fußgänger und Radfahrer. Mit Hilfe der Sensoren können die ungeschützten Verkehrsteilnehmer schon mehrere Meter vor dem Fahrzeug erkannt und deren Bewegungsrichtung ermittelt werden. Die hinterlegte Software analysiert dann, ob eine ernste Verkehrssituation vorliegt oder gegebenenfalls sogar eine Kollision unmittelbar bevorsteht.
In einem solchen erkannten kritischen Verkehrsszenario wird eine automatische Bremsung des Fahrzeugs eingeleitet. Ziel dabei ist es die Fahrzeuggeschwindigkeit so weit wie möglich abzubremsen, so dass die Unfallfolgen maximal reduziert werden beziehungsweise im Idealfall der Unfall völlig vermieden wird.
Zusätzlich zu der automatischen Bremsung bietet das von Volkswagen entwickelte Fahrzeug ein weiteres Schutzsystem. Erkennt das Sensorsystem, dass eine Kollision eines Fußgängers an einer der vorderen Fahrzeugecken bevorsteht, dann wird eine Lenkempfehlung zum Ausweichen aktiviert. Der Fahrer spürt in diesem Fall, dass das Lenkrad mit einer leichten Kraft auf den Ausweichkurs gedreht wird. Der Fahrer hat die Möglichkeit, die Lenkempfehlung zu übersteuern – folgt er ihr aber, so kann die Kollision idealerweise vermieden werden.
Integrierte Querführung („AKTIV-IQF“)
Heute ist mit „Lane Assist“ ein aktiver Spurhalteassistent in Serie, der Unfälle durch ungewolltes Verlassen von der Fahrbahn reduziert. Falls sich andeutet, dass das Fahrzeug unbeabsichtigt die Spur verlässt, lenkt der Spurhalteassistent weich gegen. Als assistierendes System kann der Fahrer die Lenkempfehlung aber zu jeder Zeit überstimmen.
Im Rahmen des Teilprojekts IQF wurde von der Volkswagen Konzernforschung ein Assistenzsystem entwickelt, welches den Fahrer kontinuierlich in der Längs- und Querführung unterstützt. Neben der kontinuierlichen Unterstützung des Fahrers zeichnet sich das System insbesondere dadurch aus, dass die Längs- und Querführung nicht unabhängig voneinander arbeiten. Durch das gemeinsame Bedien- und Reglerkonzept für Quer- und Längsführung ist es möglich die Fahrzeuggeschwindigkeit an den Fahrbahnverlauf und die Fahrsituation anzupassen. Mit Hilfe einer GPS-gestützten Ortung und Informationen aus der digitalen Karte kann dies vorausschauend und für enge Kurven geschehen, die noch nicht im Sichtbereich der Umfeldsensorik liegen.
Der vorausschauende und kontinuierlich arbeitende Assistent unterstützt den Fahrer im vollen Geschwindigkeitsbereich bei Fahrten auf der Autobahn und auf gut ausgebauten Straßen. Durch die Berücksichtigung von Objekten im Umfeld ist die Querführungsassistenz auch im Stau oder an Baustellenpassagen verfügbar.
Fahrersicherheit und Aufmerksamkeit („AKTIV-FSA“)
Die technische Ausgestaltung eines Fahrerassistenzsystems – Sensoren, Aktoren, Algorithmen – ist die eine Seite der Entwicklung. Die andere ist die Gestaltung der Schnittstelle zum Fahrer. Ist der Fahrer in der Lage, die Eingriffe des Systems zu verstehen und vorherzusagen? Verliert er auch im Falle einer Fehlreaktion des Systems nicht die Kontrolle über das Fahrzeug?
Die Antworten hat die Volkswagen Konzernforschung im Teilprojekt FSA erarbeitet. Am Beispiel des oben beschriebenen IQF-Systems wurde analysiert, wie die Entwicklung sicherheitsrelevanter Fahrerassistenzsysteme systematisch unterstützt werden kann. Der Fokus lag dabei auf Nutzerfreundlichkeit und Kontrollierbarkeit des Systems, aber auch auf mögliche langfristige Änderungen im Fahrerverhalten. Hierzu wurden die relevanten Szenarien mit den entsprechenden Einflussparametern erarbeitet und analysiert, mit welchen Systemen, wie zum Beispiel Fahrsimulator, Vehicle in the Loop oder im Realfahrzeug die Überprüfung optimal stattfinden kann. Für eine Potenzialanalyse der neuen Assistenzsysteme hinsichtlich ihres Sicherheitsgewinns sind eine Rund-um-Betrachtung sowie die Überprüfung der Ergebnisübertragbarkeit auf den Realverkehr von entscheidender Bedeutung. Dass die Erhöhung von Komfort und Sicherheit durch Fahrerassistenzsysteme auch nach längerer Nutzungsdauer anhält, konnte durch eine empirische Studie am Beispiel der Automatischen Distanzregelung ACC aufgezeigt werden.
Störungsadaptives Fahren („AKTIV-STAF“)
Der Volkswagen Baustellenlotse – Ein Fahrerassistenzsystem zur Stauvermeidung
Über 30 % der Staus auf deutschen Autobahnen entstehen durch Baustellen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass ein verkehrsoptimiertes Fahren wie zum Beispiel ein zügiges Durchfahren der Engstelle einen Stau vermeiden kann. Generell kann die Kapazität um jeweils etwa drei Prozent gesteigert werden, wenn zehn Prozent der Fahrzeuge sich verkehrsoptimal verhalten. Das reduziert Wartezeiten, Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen.
Der Baustellenlotse von Volkswagen ist ein Verkehrsassistenz- und Informationssystem. Es erweitert das heute in Serie verfügbare ACC (Adaptive Cruise Control) um eine Funktion aus dem Bereich des Verkehrsmanagements. Verkehrsoptimales Fahren im Baustellenbereich benötigt aktuelle Informationen zum Streckenverlauf und eine geeignete Fahrstrategie. Dem Fahrer werden die aufbereiteten Informationen über den vorausliegenden Baustellenbereich in einem „Verkehrshorizont“ angezeigt, der eine Kartenvorausschau mit Verkehrsinformationen enthält. Um die Verkehrsinformationen aktuell für das Umfeld einer Baustelle zu erhalten, zeichnen bordeigene Systeme im Fahrzeug den Fahrtverlauf auf. Mit Hilfe der Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation werden die Informationen an Kommunikationseinheiten, die sogenannten Road Side Units, übertragen. Diese werden flexibel am Straßenrand aufgestellt und sammeln die Daten der passierenden Fahrzeuge. Die Road Side Unit wertet mit einem von Volkswagen entwickelten Algorithmus die Fahrzeugdaten aus und generiert daraus Informationen wie Verlauf und Anzahl der Fahrspuren sowie die exakte Verkehrslage und gibt diese in Form einer lokalen, dynamischen Karte an die nachfolgenden Fahrzeuge weiter. Parallel realisiert der „Baustellenlotse“ die Fahrstrategie im Fahrzeug durch Fahrempfehlungen oder regelt automatisch Abstand und Geschwindigkeit. Das Neuartige daran: Je nach Verkehrssituation nähert sich das Fahrzeug dementsprechend vorsichtig einem möglichen Stauende, passiert die Engstelle kolonnenstabil zur Vermeidung von Stauwellen und beschleunigt am Baustellenende wieder zügig auf die Reisegeschwindigkeit. Dadurch werden eventuelle Stauungen besser aufgelöst.
Damit zeigt Volkswagen, dass Fahrerassistenzsysteme nicht nur die Sicherheit und den Komfort verbessern können, sondern auch einen Beitrag zur Stauvermeidung und zur Verringerung von CO2-Emissionen leisten können.
Generelle Details zum Forschungsprojekt AKTIV
AKTIV bezeichnet als Abkürzung die Forschungsinitiative „Adaptive und kooperative Technologien für den intelligenten Verkehr“. AKTIV ist mit einem Budget von insgesamt 60 Millionen Euro ausgestattet, den überwiegenden Anteil finanzieren die Partner. Das BMWi steuert 25 Millionen Euro bei, vom BMBF werden 2,1 Millionen Euro erbracht. Die Forschungsinitiative wird in zwei Hauptprojekte untergliedert, an denen sich Volkswagen maßgeblich beteiligt hat: „Assistenzsysteme / aktive Sicherheit“ („AS“) und das „Verkehrsmanagement“ („VM“). Neben diesen Schwerpunkten gibt es zusätzlich das Projekt „Cooperative Cars“ („CoCar“).
„AS“ ist mit einem Investitionsvolumen von 37,5 Millionen Euro das größte Projekt innerhalb der Forschungsinitiative. Untersucht werden mit diesem Projekt neben der „Integrierten Querführung“ („IQF“) die vier Themen „Aktive Gefahrenbremsung“ („AGB“), „Kreuzungsassistenz“ („KAS“), „Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer“ („SFR“) sowie „Fahrsicherheit und Aufmerksamkeit“ („FSA“).
Rund 18 Millionen Euro stehen in dem Projekt „VM“ zur Verfügung. Neben anderen Themen wird hier das Störungsadaptive Fahren („STAF“) intensiv erforscht.
Die Partner von AKTIV sind: Adam Opel GmbH, AUDI AG, AZT Automotive GmbH, BMW Group, Bundesanstalt für Straßenwesen, Continental, Daimler AG, Ericsson, Ford Forschungszentrum Aachen GmbH, Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, IBEO, ifak e.V. Magdeburg, MAN Nutzfahrzeuge AG, PTV AG, Robert Bosch GmbH, Siemens AG, Technische Universität Braunschweig, Technische Universität München, Tele Atlas Deutschland GmbH, Transver GmbH, Universität Kassel, Vodafone Group R&D Germany und Volkswagen AG. Als Unterauftragnehmer arbeiten außerdem zahlreiche Universitäts- und Forschungsinstitute sowie kleinere und mittelständische Unternehmen an den Projekten mit.
Volkswagen AG, Ruth Holling www.volkswagen.de
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