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Raserei – Ordnungswidrigkeit oder Strafbestand?

In die Diskussion über die geplante Reform des Punktesystems im Flensburger Verkehrszentralregister hat sich jetzt erstmals ein namhafter Verfassungsrechtler eingeschaltet und ist mit der herrschenden Verkehrssicherheitspolitik scharf ins Gericht gegangen.

In einem Gespräch mit dem ACE Auto Club Europa (ACE LENKRAD (3/2012), warf der Regensburger Verkehrs- und Verfassungsrechtler Prof. Dr. Gerrit Manssen dem Gesetzgeber vor, er tue zu wenig, um Leben und körperliche Unversehrtheit von Verkehrsteilnehmern zu schützen. Dieser Punkt spiele etwa gegenüber wirtschaftlichen Interessen der Automobilindustrie eine nachrangige Rolle.

„Vielleicht fehlt noch der politische Wille“, sagte Mannsen. Auch bei der Frage eines absoluten Alkoholverbots im Straßenverkehr sieht Verkehrsrechtsexperte Manssen „eine starke Lobby“ am Werk. „Vor allem der Freistaat Bayern wehrt sich aufgrund von Druck aus der Gastronomie auf Bundesebene gegen 0,0 Promille.“

Manssen schlug vor, Rasen zum Straftatbestand zu erheben. Temposünder bekämen es dann nicht mehr mit einer Verwaltungsbehörde zu tun, sondern mit der Staatsanwaltschaft. Eine Ordnungswidrigkeit klingt nach den Worten des Verfassungsrechtlers wie „kein Kleingeld in die Parkuhr geworfen“ zu haben. Eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung berge aber ein so großes Gefahrenpotenzial, „dass man das Strafgesetzbuch um diesen Tatbestand ergänzen sollte“.

Auf die Frage nach einem generellen Tempolimit meinte der Verkehrsrechtsexperte, es sei dringend nötig, „dass wir uns da den besseren Erkenntnissen unserer europäischen Nachbarn anschließen und auf deutschen Autobahnen eine absolute Höchstgeschwindigkeit einführen“. Über die Frage, ob es Tempo 130 sein müsse, könne man streiten.

Manssen befürwortete bei der Geschwindigkeitsüberwachung die Methode Section Control, bei der nicht mehr das Tempo an einem Punkt gemessen wird, sondern die auf einem längeren Streckenabschnitt gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit. Dagegen vorgebrachte datenschutzrechtliche Bedenken lässt Manssen nicht gelten. „ Die gleichen Minister, die Section Control für verfassungswidrig halten, sind gleichzeitig dafür, dass die Vorratsdatenspeicherung eingeführt und sechs Monate lang alle Telefon- und Internetverkehrsdaten abgespeichert werden“. Da stimmten die Verhältnisse nicht, kritisierte der Regensburger Rechtsprofessor.

Nach Auffassung von Manssen ist das Flensburger Punktesystem im Grundsatz vernünftig. Gewisse Verhaltensweisen mit erhöhtem Gefährdungspotenzial ließen sich mit diesem Punktesystem allerdings nicht mehr angemessen sanktionieren.

ZUR PERSON: Gerrit Manssen, Jahrgang 1959, studierte nach einer Banklehre Jura in Regensburg und Genf. Nach seiner Promotion 1990 und Habilitation 1993 erhielt er die Lehrberechtigung für die Fächer Staats-, Verwaltungs- und Sozialrecht. Er unterrichtete an den Universitäten in Münster und Greifswald, nebenher war er einige Zeit als Richter am Oberverwaltungsgericht Greifswald tätig. Im Mai 1997 übernahm er den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg. Manssen ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. www.ace-online.de


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