Bisher konnten die Scheinwerfer ja nur Schwarz oder Weiß, man meint damit, dass man nur zwischen Abblend- und Fernlicht hin- und herschalten kann.
Das werde sich erst ändern, wenn sich die Frontlichter in alle Richtungen und in der Intensität steuern lassen.
Das Schwarz-Weiß enge die Möglichkeiten des Fernlichtassistenten ein, weil der eben nur aufblenden könne, wenn kein Auto entgegenkomme oder die Bahn vor dem eigenen Fahrzeug frei sei, so Klaus Weibler. Aber auch das bedeute bereits eine erheblich höhere Sicherheit bei Nachtfahrten, erläuterte er bei einem Workshop zum Thema „Licht und Sicht“ am Sitz von Gentex in Erlenbach.
58 Prozent weniger Unfälle mit Fußgängern bei Nacht und 74 Prozent der Unfälle mit unbeleuchteten Objekten könnten vermieden werden, wenn das Fernlicht immer dann eingeschaltet wird, wenn dies möglich ist. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Dipl.-Wirtsch.-Ing Jan-Holger Sprute vom Institut für Lichttechnik der Technischen Universität Darmstadt vortrug. Zwar steige mit der besseren Sicht auch die gefahrene Geschwindigkeit. Der Sicherheitsgewinn übersteige aber diesen Kompensationseffekt deutlich.
Bastian Roet vom Institut für Verkehrspsychologie des Automobilclubs von Deutschland (AvD) erinnerte daran, dass rund 28 Prozent der Unfälle bei Nacht geschehen, bei denen 40 Prozent der Verkehrstoten zu beklagen sind. Das Todesrisiko sei bei Nacht also doppelt so hoch wie beim Fahren am Tag. Roet nahm sich das andere Problem neben der schlechteren Sicht vor – die Blendung durch entgegenkommenden und nachfolgenden Verkehr.
Wird ein Fahrer geblendet, brauchen die Augen drei bis vier Sekunden, um wieder zur normalen Sehfähigkeit zurückzukehren. Bei zunehmendem Alter kann sich diese Phase der „Blindheit“ um das Zwei- bis Dreifache erhöhen. Bei 80 km/h bedeuten aber schon die drei Sekunden eine Fahrstrecke von knapp 70 Metern, um die sich die Reaktion verzögert oder der Anhalteweg verlängert. Mehr als die Hälfte aller Autofahrer geben an, dass sie „sehr häufig“ oder „eher häufig“ geblendet werden.
Die vielen Verhaltensweisen, mit dem sich Autofahrer gegen Blenden durch die Spiegel wehren, führen selten zu einer Verbesserung der Sicherheit: Ja nach Situation verstellen mehr als 67 Prozent den Innenspiegel, 44 Prozent blinzeln, 40 Prozent neigen den Kopf, 38, 6 Prozent verändern die Sitzposition, 21,3 Prozent schützen die Augen mit der Hand und 6,6 Prozent fahren nachts mit einer Sonnenbrille um Blendung durch entgegenkommende und folgende Fahrzeuge zu vermeiden.
Diese Plädoyers für den Fernlichtassistenten und die automatisch abblendenden Innenspiegel kommen dem Hersteller solcher Fahrerassistenzsysteme natürlich gelegen. Gentex ist mit weitem Abstand Weltmarktführer bei den Automatikspiegeln und hat beim Fernlichtassistenten gerade die Eine-Million-Marke durchbrochen. Weibler sieht beides als Etappenziele und will tiefer in die Steuerung des Lichts einsteigen. Als Beispiele für moderne Systeme nennt er die Entwicklungen bei Audi, BMW, Opels Insignia und Mercedes-Benz.
Eine erweiterte Kamera- und Elektronikausstattung soll in Zukunft dafür sorgen, dass das Abblendlicht genau bis zur Stoßstange des Vorausfahrenden reicht. Die Elektronik ist ebenfalls in der Lage, das weitreichende Licht links und rechts am vorausfahrenden Fahrzeug vorbeizuleiten. Der Fahrer kann dann also weiter sehen, ohne den Vorausfahrenden zu blenden.
Doch es gehr längst nicht mehr nur um Licht und Sicht. Immer neue Fahrerassistenz-Systeme für Sicherheit und größeren Komfort drängen rasch in das Auto. Ihre Integration stellt die Automobilhersteller aber vor ein ebenso schnell wachsendes Dilemma. Wie kann man sie unterbringen, wo sie doch Dutzende Sensoren, Kameras, Displays und andere Ausgabemedien verlangen, die alle möglichst auf oder in der Nähe der Windschutzscheibe in technisch und ergonomisch günstiger Position untergebracht werden sollen?
Die Aufgabenstellung für die Entwickler wird noch komplexer, weil die Systeme oft von verschiedenen Herstellern stammen und unterschiedliche Sensortechniken mit teilweise gegenläufigen Anforderungsprofilen mit sich bringen. Die Integration aller Systeme unter Berücksichtigung der einzelnen Applikationsvoraussetzungen sowie der gesetzlichen Anforderungen wie Sichtfeld des Fahrers oder Crashsicherheit gilt es zu schaffen.
Zu einem modernen Cluster zählen Regen-Kombisensoren, unterschiedliche Kameras für Fahrspurhaltung oder Nebelwarnung und die Sensoren für das Scheinwerfermanagement, Türschließanlage, Scheibenwischer, Scheibenheizung, Kompass, Steuerung der Klimaanlage oder der automatische Garagentoröffner. Der beste Platz befindet sich im Inneren hinter der Windschutzscheibe. geschützt vor der Witterung sowie mit freier Sicht auf die Straße und das Umfeld.
Die Anforderungen und Ansprüche der Automobilhersteller mit ihren unterschiedlichen Modellen sowie die mechanischen, elektrischen und elektronischen Erfordernisse und deren Systemintegration sind sehr unterschiedlich. Dennoch ist Gentex sicher, die verschiedenen Zulieferer und deren Produkte „unter einen Hut“ bringen zu können, so dass am Ende alles so funktioniert, wie es die Vorschriften und das Design verlangen.
In der Fachpresse tauchen bereits die ersten kritischen Bemerkungen über diese Systemintegration auf. Die Fachleute in den Redaktionen äußern die Sorge, die Windschutzscheibe könne zuwachsen, weil immer mehr Sensoren dort untergebracht werden müssen. Gentex zeigte jetzt einen Innenspiegel mit einem Fuß, der nicht größer ist als heute gewohnt und trotzdem alle Sensorik und die Elektronik enthält. Der Innenspiegel kann außerdem als Bildschirm dienen, zum Beispiel für die Rückfahrkamera oder die Verkehrszeichenerkennung.
Auf die Frage, wann eine solche Spiegel-Sensor-Display-Kombination denn zum ersten Mal zu Einsatz kommt, lächelt Weibler wissend, bleibt eine konkrete Antwort schuldig. Die Internationale Automobilausstellung (IAA) im September 2009 dürfte ein Termin sein, bei dem erste Versionen ihre Premiere erleben werden. ar/p.scherdman
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